Begegnungen
Kleine Anekdoten meiner Begegnungen als Clown Albert mit Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen.
Alte Schachtel
Der Clown trifft beim Sommerfest auf Maria. Sie ist Jahrgang 1910, wie der Sohn stolz vermerkt. Der Clown sagt ihr (laut in das bessere Ohr): „Sie sind ja die älteste Schachtel, die ich je getroffen habe.“ Maria lacht. „Aber eine ziemlich gut erhaltene alte Schachtel.“ Maria lacht noch mehr und freut sich.
„Schön blöd.“
Der Clown will mit Frau Mosgo singen – wie jeden Freitag. „Alle Vögel sind schon da“ gefällt ihr. Also singen beide: „Alle Vögel sind schon da, alle Vögel alle…“ „Wieso Vögel?“ Frau Mosgo wundert sich. „Tja“, sagt der Clown, „die Vögel sind halt wieder zurück.“ „Wo waren die denn?“ „Im Winter sind die weit weg im Süden, wo es wärmer ist, im Frühling kommen sie wieder“, sagt der Clown. Antwort: „Schön blöd.“
„Einzelfall“
Frau Schneider, fast neunzig, sitzt etwas missmutig in ihrem Rollstuhl, als der Clown sich verabschiedet. „Tschüss und schöne Weihnachten“, sagt er. Darauf sie: „Na, was ist denn daran schön?“ „Weihnachten singt man ja nicht nur Lieder, Weihnachten soll ja auch Spaß machen“, entgegnet der Clown. „Wer hat denn da schon Spaß?“ „Ich zum Beispiel.“ Darauf Frau Schneider: „Einzelfall.“
Alle Vögel sind schon da
Frau Schmieder ist sehr mit dem Streuselkuchen beschäftigt. Sie sieht nicht mehr so gut und die Handhabe der Gabel klappt auch nicht mehr wie früher. Der Clown hilft etwas. Dann ist es geschafft. Nun stimmt der Clown leise die ersten Töne an von „Alle Vögel sind schon da“. Frau Schmieder wendet kurz den Kopf und singt: „Amsel, Drossel, Fink und Meise, und die ganze Vogelscheiße“.
„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…“
Frau Mrosgo hat die hundert schon hinter und nun den Clown vor sich. Mehrere Monate hatte sie ihn nicht gesehen – ein Umzug war der Grund. Sonst sah man sich und sang miteinander jede Woche. Den Clown erkennt sie nicht, singen will sie auch nicht. Doch schon nach wenigen Tönen ist sie dabei und singt ihre Variante: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so fröhlich bin.“
Entschuldigung, ich habe mich verquatscht
Frau Hutschmann ist mit ihren knapp achtzig Jahren noch sehr mobil, aber schon sehr verwirrt. Sie glaubt zum Beispiel, dass der ganze Flur des Altenheims (geschätzte lichte hundert Meter) zu ihrer Wohnung gehört. Sie begrüßt den Clown mit den Worten: „Wie kommen Sie denn hier herein?“ Der Clown, der von dieser Haltung der Dame wusste, antwortet: „Ich habe geklingelt und geklopft, aber niemand kam. Da die Tür offen stand, bin ich kurz hereingekommen.“ „Aha.“ Das scheint ihr einzuleuchten. Einen längeren Besuch vom Clown lehnt sie ab, der darauf zu einer Bewohnerin im Nachbarzimmer geht. Als der Clown später von dort wieder auf den langen Flur tritt, fängt Frau Hutschmann ihn ab und sagt missmutig: „Sie sind ja immer noch da. Sie wollten doch längst schon wieder weg sein.“ „Entschuldigung“, sagt der Clown freundlich, „ich habe mich verquatscht.“
„Der Kuckuck und der Esel“
Das Singen alter Lieder bedeutet vielen alten Menschen viel – Frau Walter sogar sehr viel. Sie war früher Musiklehrerin. Früher war, ehe sie ein schwerer Schlaganfall auf das Bett reduzierte. Natürlich singt der Clown ausgiebig mit ihr, wenn er sie besucht. Heute sagt sie aber unvermittelt zwischen zwei Liedern: „Ich möchte nicht mehr leben, diese Schmerzen.“ Das versteht der Clown. Dann: „Kommst Du zu meiner Beerdigung?“ Natürlich tut er das. „Und singst Du was für mich?“ „Na klar, was denn?“ fragt der Clown. „Der Kuckuck und der Esel“, sagt sie und lächelt. Es ist ihr Lieblingslied.
Wie schöööön. Uns geht´s gut.
Der Clown besucht Frau Fink, eine Bewohnerin, die beschieden und zufrieden ihre Welt erlebt. Sie liegt in ihrem Zimmer im Bett. Clown: Guten Tag, Frau Fink, Sie haben es aber gemütlich. Frau Fink: Ach, ich bin so müde. Clown: Oh, ich bin auch ganz müde. Darf ich mich dazu legen? Frau Fink: Aber ja, komm nur rein. Der Clown nimmt am Fußende des Bettes Platz, legt sich vorsichtig um sie herum. Clown (seufzt): Ach, tut das jetzt gut, es war vorhin so hektisch. Der Clown schließt ebenfalls die Augen, ruht eine Weile. Clown: Geht´s gut so? Frau Fink: Ach ja, in Vaters Garten. Clown: Ach, ich bin immer so durcheinander im Bett. Frau Fink (in beruhigendem Tonfall): Das macht nix. Sie brauchen keine Angst zu haben. Der Clown dreht sich auf den Rücken und legt seine Füße auf ihren Rollator, der gleich neben dem Bett steht. Clown: Es ist richtig gemütlich bei Ihnen. Frau Fink: Gell, uns geht´s ganz gut. Der Clown und Frau Fink schweigen lange. Frau Fink: Wie schöööön. Uns geht´s gut. Der Clown räkelt sich und steht langsam auf. Clown: Ich danke Ihnen, dass ich mich hier ausruhen durfte. Frau Fink: Ich bin immer da, komm wann Du willst.
Ach, der Elvis
Die kleine Gruppe, die im Gemeinschaftsraum des Frankfurter Altenheimes zusammen sitzt, ist bunt gemischt: Orientierte Damen und Herren ebenso wie nur eingeschränkt Orientierte, Sehende und Nicht-Sehende, Sprechende und Nicht-Sprechende. Doch alle wollen mit dem Clown singen. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ und „Oh, mein Papa“ aktivieren, „Muss i denn“ noch mehr. „Ach, des hat der Elvis aach so schee g’sunge“, sagt eine am Ende Gedanken verloren. „Wer?“ fragt eine sonst in sich versunkene Bewohnerin. „Der Elvis Presley“, lautet die Antwort, gefolgt von der neuen Frage: „Hat der hier auch ein Zimmer?“ siehe auch: www.youtube.com
„Ein großer Künstler“
Clown Albert besucht dieses Altenheim zum ersten Mal. Die vielleicht sieben, acht alten Menschen, manche körperlich, manche demenziell eingeschränkt, sitzen um einen großen Holztisch herum. Eine Dame kommt später hinzu, als der Clown schon mit der Gruppe singt. „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“ und „Lilli Marleen“ begeistern diese Bewohnerin sofort. „Ein großer Künstler“, sagt sie bedeutungsvoll in einer Pause. Inbrünstig und textsicher singt sie alle weiteren Lieder mit. Als der Clown sich am Ende verabschiedet, fragt sie: „Kommen Sie morgen wieder?“ „Oh“, lautet die Antwort, „das wird etwas knapp.“ Darauf die Dame: „Na gut, dann eben heute.“